
Kann das Darm Mikrobiom beim Abnehmen helfen?
Übergewicht und Adipositas stellen weltweit ein zunehmendes Gesundheitsproblem dar. In Deutschland werden mehr als 50 % der Bevölkerung als übergewichtig (BMI ≥ 25 kg/m²) und mehr als 20 % als adipös (BMI ≥ 30 kg/m²) eingestuft. Immer wieder liest man, dass eine gestörte Darmflora Übergewicht begünstigen kann und dass Probiotika beim Abnehmen helfen sollen. Ob wirklich die Darmbakterien dafür verantwortlich sind, dass es bei manchen Personen trotz großer Bemühungen mit der Gewichtsabnahme nicht klappen will und wie sich wissenschaftliche Erkenntnisse zu diesem Thema einordnen lassen, erfährst du hier.
Was macht das Mikrobiom so besonders?
Im Darm tummeln sich Billionen von Mikroorganismen, bei denen es sich überwiegend um Bakterien handelt. Gemeinsam wiegen sie etwa 1,5 Kilogramm. Ihre Aufgaben sind vielfältig:
- Sie helfen bei der Verwertung von Nahrungsbestandteilen.
- Sie unterstützen das Immunsystem.
- Sie produzieren Vitamine und kurzkettige Fettsäuren.
- Sie tragen zu einer intakten Darmbarriere bei.
Ein Teil der Stoffwechselprodukte im Blut stammt direkt oder indirekt aus dem Mikrobiom. Entsprechend haben die Darmbakterien durchaus einen Einfluss auf die Gesundheit. Aber können Darmbakterien wirklich auch das Gewicht regulieren?
Mikrobiom und Gewicht: Zusammenhang statt Ursache?
Studien zeigen: Es zeigen sich oftmals Unterschiede im Mikrobiom von über- und normalgewichtigen Menschen. Diese liegen zum Beispiel in der Verteilung bestimmter Bakterienarten. Einige Bakterientypen scheinen mehr Energie aus der Nahrung zu ziehen als andere, die wiederum könnten Entzündungen oder den Appetit beeinflussen. Es ist jedoch festzuhalten, dass es nicht DAS eine Mikrobiom gibt, das bei allen adipösen Personen vorliegt. Denkbar wäre aber beispielsweise, dass es bestimmte Veränderungen des Mikrobioms gibt, die dann in Folge möglicherweise die Entstehung von Übergewicht und Adipositas begünstigen.
Doch Vorsicht mit schnellen Schlüssen:
Ein verändertes Mikrobiom ist nicht automatisch die Ursache von Übergewicht. Es könnte auch eine Folge davon sein. Ebenfalls ist möglich, dass sich beides gegenseitig beeinflusst. Die Forschung arbeitet intensiv daran, die Zusammenhänge besser zu verstehen. Bisher sind jedoch viele Ergebnisse noch widersprüchlich oder nur auf bestimmte Personengruppen übertragbar.
Probiotika: Effektive Hilfe oder überschätzter Trend?
Probiotika, also lebende Mikroorganismen, die über Pulver, Kapseln oder spezielle Lebensmittel aufgenommen werden, können das Mikrobiom positiv beeinflussen. Tatsächlich zeigen Studien: In Kombination mit einer Ernährungsumstellung und Bewegungsförderung kann die Einnahme von bestimmten aktiven Bakterienkulturen den Gewichtsverlust leicht verstärken.
Aber:
Der Effekt ist bislang moderat. Ohne begleitende Lebensstiländerung lassen sich mit Probiotika keine relevanten Resultate erzielen. Zudem sind die Studien sehr unterschiedlich aufgebaut und kommen teilweise zu widersprüchlichen Ergebnissen. Wichtig ist festzuhalten: Nicht jeder Mensch profitiert in gleichem Ausmaß, und nicht jeder probiotische Bakterienstamm erzielt vergleichbare Effekte.
Präbiotika: Nahrung für die Darmbakterien
Präbiotika sind bestimmte Ballaststoffe (z. B. Akazienfasern), die den nützlichen Darmbakterien als Nahrung dienen. Sie fördern die Vielfalt der Darmflora, was als günstiger Faktor für die Gesundheit gilt.
In einer Studie zeigte sich, dass die Kombination von Pro- und Präbiotika einen etwas stärkeren Effekt auf das Körpergewicht haben kann als Probiotika allein. Besonders hilfreich scheint diese Ergänzung zu sein, wenn sie individuell abgestimmt ist: auf das persönliche Mikrobiom, die Ernährung und andere Lebensstilfaktoren.
Mikrobiomtests: Sinnvoll oder überflüssig?
Der Markt für Mikrobiomtests boomt. Aber wie aussagekräftig sind die Ergebnisse wirklich? Zwar können Mikrobiomanalysen Hinweise auf ein Ungleichgewicht liefern, doch die wissenschaftliche Basis für klare Therapieempfehlungen ist aktuell begrenzt. Wichtig ist: Nicht jeder Mensch mit Übergewicht hat automatisch eine gestörte Darmflora und nicht jedes Probiotikum ist für jeden in gleichem Maß geeignet.
Ein Test kann sinnvoll sein, vor allem, wenn man bereits viele Maßnahmen erfolglos ausprobiert hat. Aber wie so oft gilt auch hier: Eine fundierte Beratung und differenzierte Einordnung der Ergebnisse durch erfahrenes Fachpersonal ist entscheidend und der aktuelle Stand der wissenschaftlichen Datenlage als auch deren Limitationen sollten berücksichtigt werden.
Fazit: Kein Wundermittel, aber ein möglicher Baustein
Probiotika und Präbiotika können einen wertvollen Beitrag zur Darmgesundheit leisten und damit bei Personen mit einer Dysbiose (Ungleichgewicht der Darmflora) möglicherweise auch die Gewichtsregulation unterstützen. Sie können aber weder eine ausgewogene Ernährung noch Bewegung ersetzen. Der wichtigste Baustein für eine Gewichtsabnahme bleibt nach wie vor ein moderates Kaloriendefizit, was bedeutet, dass mehr Kalorien verbraucht als aufgenommen werden.
Wer Pro- und Präbiotika im Rahmen der Gewichtsreduktion ausprobieren möchte, sollte diese mit den grundlegenden Maßnahmen wie einer Ernährungsumstellung (Reduktion der Kalorienaufnahme) und Erhöhung der sportlichen Aktivität (Erhöhung des Kalorienverbrauchs) kombinieren. Als Baustein eines umfassenden Konzeptes können Pro- und Präbiotika auch bei der Gewichtsregulation eine wertvolle Ergänzung bieten, als alleinige Maßnahme im Kampf gegen Übergewicht und Adipositas eignen sie sich hingegen nicht.
Literatur
Willmann M (2025): Das Darmmikrobiom: Schlüssel zur Gewichtsregulation? in Ernährung & Medizin