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Präbiotika
In Prävention und Therapie

Präbiotika

In Prävention und Therapie

Ballaststoffe und Präbiotika können aufgrund ihrer positiven Effekte auf die kommensale intestinale Mikrobiota sowie eine Vielzahl physiologischer Prozesse sowohl präventiv als auch therapiebegleitend bei bestimmten Erkrankungen und Störungen eingesetzt werden. Neben den bekannten Gesundheitseffekten auf den Gastrointestinaltrakt sind auch extraintestinale Effekte bekannt, wie etwa ein positiver Einfluss auf Blutfettwerte oder Insulinresistenz.488

Dosen, die sich als wirksam herausgestellt haben, liegen in Abhängigkeit des jeweiligen Anwendungsgebiets für die meisten Substanzen mindestens im Grammbereich: Je nach spezifischem Ballaststoff bzw. Präbiotikum werden Dosen zwischen 1 und 24 g pro Tag empfohlen.770–772 Präbiotika nehmen über ihr Potenzial, die physiologische intestinale Mikrobiota zu ernähren, einen positiven Einfluss auf das mikrobielle Ökosystem im Darm und haben positive Effekte auf den gesamten Organismus (s. Abb. 1).

Darstellung der verschiedenen Wirkungsweisen von Präbiotika
Abb. 1: Präbiotika wirken über verschiedene Wege positiv auf den gesamten Organismus, verändert nach Sherman et al. (2009). [767]

  • Obstipation

    Laktulose, Inulin sowie Flohsamen zeigten positive Effekte bei Patient*innen mit Obstipation, u. a. durch Erhöhung der Stuhlfrequenz oder des Stuhlgewichts. Eine Meta-Analyse aus dem Jahr 2014 ergab, dass durch die Einnahme von Inulin die Stuhlfrequenz erhöht sowie die Transitzeit und die Stuhlkonsistenz erniedrigt werden konnte.773 Auch konnte eine Erhöhung der Stuhlfrequenz durch die Einnahme von Laktulose beobachtet werden.774 Ebenso führt die Einnahme von Flohsamen zu einer Erhöhung von Stuhlfrequenz und -gewicht und verbesserte darüber hinaus die Stuhlkonsistenz.775 Die genannten Effekte betonen die Wichtigkeit des Einsatzes von Präbiotika im Rahmen einer Behandlung obstipatorischer Beschwerden. Sobald von dem*der behandelnden Therapeut*in potenziell ernste, zugrunde liegende Erkrankungen (z. B. ein kolorektales Karzinom) diagnostisch ausgeschlossen werden können, eignen sich Präbiotika somit im Rahmen einer Akuttherapie und als Präventivmaßnahme hinsichtlich einer Obstipation.

  • Reizdarmsyndrom

    Neben den gut belegten Effekten von Probiotika wird auch der Wirkstoffgruppe der Präbiotika ein wirkungsvoller Einsatz beim Reizdarmsyndrom zugesprochen. Das Wirkprinzip einzelner Präbiotika, insbesondere präbiotischer Ballaststoffe, ist jedoch noch nicht abschließend geklärt. So stellt sich bei einigen präbiotisch wirksamen Ballaststoffen die Frage, ob die positiven Auswirkungen auf die Reizdarmsymptomatik etwa auf physikalische Eigenschaften, wie die Erhöhung des Stuhlvolumens, zurückgeführt werden können.604

    Die Rolle von Kohlenhydraten beim Reizdarmsyndrom ist ambivalent. Leicht fermentierbare Kohlenhydrate (u. a. FODMAP) werden von den Bakterien im Darm fermentiert und können durch die vermehrte Gasbildung zu typischen Reizdarmsymptomen führen. Komplexe Kohlenhydrate, d. h. Ballaststoffe und Präbiotika, können hingegen auch positive Effekte erzielen. Die Studienlage hinsichtlich der Wirksamkeit von Präbiotika bei Reizdarmsyndrom ist jedoch indifferent. Eine aktuelle Meta-Analyse von elf RCT konnte keinen generellen positiven Effekt auf die Symptome eines Reizdarmsyndroms feststellen. Bei höheren Präbiotikadosen von mindestens 6 g pro Tag konnte jedoch eine Reduktion von Blähungen beobachtet werden (standardisierte mittlere Differenz -0,35; 95 %-KI -0,71 bis 0,00; p=0,05).776 Dieser Effekt war dabei besonders stark bei Nicht-Inulin-Präbiotika.776 Zudem konnte die Meta Analyse bestätigen, dass Präbiotika die Anzahl der Bifidobakterien signifikant erhöhten.776 Andere Studien und Meta-Analysen konnten hingegen für Inulin einen signifikanten positiven Einfluss auf Obstipation, insbesondere hinsichtlich Stuhlfrequenz und -konsistenz, zeigen.773,777 In einer Studie erhielten Patient*innen in unterschiedlich hohen Mengen Trans-Galaktooligosaccharide, wodurch der Anteil an Bifidobakterien erhöht werden konnte und es zudem zu einer signifikanten Veränderung der Stuhlkonsistenz kam.778 Darüber hinaus konnten gastrointestinale Beschwerden wie Flatulenzen gelindert werden.778 Ähnliche Ergebnisse konnten nach Einnahme von Fruktooligosacchariden beobachtet werden.778

  • Divertikelkrankheit

    Nach der S2k-Leitlinie Divertikelkrankheit/Divertikulitis kann das Risiko für die Divertikelkrankheit durch Ballaststoffe reduziert werden.785 Insbesondere unlösliche Ballaststoffe, welche in Früchten, Gemüse und (Vollkorn-)Getreide enthalten sind, scheinen diesbezüglich protektive Effekte zu haben.785 Dies ist v. a. relevant für Personen, welche an einer noch asymptomatischen, nicht entzündlichen Form der Divertikelkrankheit, der Divertikulose, leiden. Weiterhin können zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden, die insbesondere der Primärprophylaxe der Divertikelkrankheit dienlich sind: Es gilt als empfehlenswert, auf regelmäßige körperliche Aktivität, den Erhalt eines normalen Gewichts sowie auf den Verzehr ballaststoffreicher, überwiegend vegetarischer Kost zu achten.785 Zusätzlich kann der Konsum von Fasern, die aus Früchten stammen, einen günstigen Effekt bezüglich der Diverkelkrankheit haben.786

  • Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen

    In einem 2016 erschienen Review, welches den Einfluss von Ballaststoff-Interventionen auf chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) untersuchte, konnte gezeigt werden, dass sich sowohl eine ballaststoffreiche Ernährung als auch die Aufnahme von Ballaststoffen in Form von Supplementen positiv auf CED auswirken.787 So konnte bei Patient*innen mit Morbus Crohn die Krankheitsaktivität reduziert werden.787 Auch die physiologische Mikrobiota wurde durch die bifidogenen Effekte unterstützt.788–790

    Patient*innen mit aktiver Colitis ulcerosa konnten von Fruktanen aus Chicorée profitieren, was sich u. a. durch die Reduktion des Entzündungsmarkers Calprotectin zeigte.791 Flohsamen(schalen) konnten bei inaktiver Colitis ulcerosa gastrointestinale Symptome, wie z. B. abdominelle Schmerzen oder Diarrhöen verbessern.792,793 Ebenfalls konnte bei diesen Patient*innen gezeigt werden, dass die Aufnahme von Beta-Glucanen die Butyratkonzentration im Stuhl um 30 % steigerte und abdominelle Beschwerden sowie gastroösophagealen Reflux verbesserte.794

  • Metabolisches Syndrom

    Eine ballaststoffreiche Ernährung sowie die Supplementierung von Ballaststoffen haben einen positiven Einfluss auf den Stoffwechsel sowie auf Erkrankungen des Stoffwechsels, wie z. B. das metabolische Syndrom. Ballaststoffe verringern u. a. die Energiedichte, sorgen für eine verzögerte Magenentleerung und üben insgesamt positive Effekte auf den Glukose- sowie den Lipidstoffwechsel aus.699

    So konnte gezeigt werden, dass Ballaststoffe und Präbiotika, z. B. spezifische Beta-Glucane und Flohsamen, den Cholesterinspiegel senken und zu einer Verbesserung der glykämischen Kontrolle führen können.797 Dies ist mechanistisch u. a. darauf zurückzuführen, dass Ballaststoffe Gallensäuren binden können, die so dem enterohepatischen Kreislauf entzogen werden und daraufhin im Körper verstärkt neugebildet werden müssen. Für die Synthese von Gallensäuren wird Cholesterin benötigt, was mit einer Senkung des Cholesterinspiegels im Blut, insbesondere dem LDL-Cholesterinspiegel, einhergeht.699 Außerdem können Ballaststoffe die Aufnahme von Glukose verlangsamen, was sich positiv auf den postprandialen Insulinspiegel auswirkt. Solch ein positiver Effekt auf den postprandialen Glukose- und Insulinspiegel konnte u. a. für Maisdextrin sowie für spezifische Beta-Glucane gezeigt werden.711,741–743,798–801

  • Adipositas

    Ballaststoffe können auch in der Prävention und Therapie der Adipositas sinnvoll sein, da sie über verschiedene Mechanismen auf die Sättigung und Appetitkontrolle einwirken können (z. B. durch eine längere Kauzeit bei ballaststoffreichen Lebensmitteln oder eine verstärkte Magendehnung durch Wasserbindung).711 Wie bereits für das metabolische Syndrom beschrieben, verzögern Ballaststoffe darüber hinaus die Magenentleerung, können die Aufnahme von Glukose verlangsamen und haben somit Auswirkungen auf den Anstieg des Insulinspiegels im Blut, was wiederum auf die Sättigung einwirken kann.711

    Des Weiteren gibt es Hinweise auf eine Beziehung zwischen der intestinalen Mikrobiota, der Zufuhr von Präbiotika und Übergewicht. Aktuelle Studien zeigen, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Körpergewicht, der Ernährungsweise und dem Verhältnis von Firmicutes zu Bacteroidetes (Firmicutes/Bacteroidetes-Ratio) innerhalb der intestinalen Mikrobiota gibt, wobei viele dieser Ergebnisse aus Tierstudien (v. a. Mausmodelle) stammen. Doch auch Humanstudien deuten an, dass eine potenzielle Korrelation zwischen dem Körpergewicht und der Firmicutes/Bacteroidetes-Ratio besteht.178,371 Es wird in diesem Zusammenhang vermutet, dass Bakterien aus der Abteilung Firmicutes die Energieausbeute aus der Nahrung erhöhen.802 Bislang konnte beim Menschen jedoch noch kein zweifelsfreier kausaler Zusammenhang zwischen der Firmicutes/Bacteroidetes-Ratio und dem Körpergewicht eruiert werden.803 Neuere Erkenntnisse in diesem Bereich zeigen allerdings, dass weitere Faktoren, die das Gewicht beeinflussen (z. B. Diäten/Ernährungsumstellungen, Präbiotika), relevanter als die Firmicutes/Bacteroidetes-Ratio für das Auftreten einer Adipositas sind.372

    Es ist jedoch in diesem Zusammenhang zu beachten, dass eine Ernährungsumstellung bzw. Diät sowie die Aufnahme von Präbiotika zusätzlich einen Effekt auf die Firmicutes/Bacteroidetes-Ratio haben können. So deuten Versuche im Mausmodell sowie wenige humane Einzelfallberichte darauf hin, dass sich bei einer Gewichtsreduktion durch Ernährungsumstellung und Sport der Anteil an Firmicutes im Darm reduziert.804,805 Es gibt außerdem Hinweise darauf, dass die Einnahme bestimmter Präbiotika einen positiven Einfluss auf die Firmicutes/Bacteroidetes-Ratio hat. So wurde in einer Studie gezeigt, dass präbiotisches Maisdextrin in vitro das Wachstum von Bakterien der Abteilung Firmicutes hemmt und im Gegenzug das Wachstum von Bakterien der Abteilung Bacteroidetes erhöht.736 Um mehr Erkenntnisse in diesem Bereich zu gewinnen, wird der Einfluss der intestinalen Mikrobiota auf den Stoffwechsel des Menschen sowie eine Modulation dieser durch Pro- und Präbiotika derzeit weiterhin intensiv erforscht.371

  • Akute Infekte der oberen Atemwege

    Verschiedene Studien zeigten, dass durch die Einnahme von (1,3)-(1,6)-Beta-D-Glucanen aus Hefe (Saccharomyces cerevisiae) Symptome einer Infektion der oberen Atemwege (URTI) signifikant gesenkt werden können. Ebenso wurde die Anzahl der Personen, die überhaupt Symptome entwickelten, sowie die Anzahl an Infekten verringert.810–813 Auch haben bestimmte Beta-Glucane einen positiven Einfluss auf den sog. Vigor-Score, d. h. ein Maß physischer/mentaler Kraft/Stärke.810,811 Im Rahmen einer klinischen Phase-II-Studie konnte in der Verumgruppe eine Reduktion der Fehlzeiten in Schule und Beruf sowie eine Verbesserung des Fieber-Scores, ein Maß für die Fieberhöhe und -dauer, beobachtet werden.814 Für diese Beta-Glucane werden im Gegensatz zu anderen Ballaststoffen, die üblicherweise im Grammbereich verabreicht werden müssen, Effekte schon für Mengen im Bereich deutlich unter einem Gramm beobachtet.

    Das reduzierte Risiko, an einer URTI zu erkranken, sowie die Reduktion der URTI-Symptomatik kann u. a. auf eine verbesserte mukosale Immunität gegenüber den entsprechenden Krankheitserregern zurückgeführt werden.815 Auf molekularer Ebene wird dies u. a. durch eine Erhöhung des sIgA vermittelt.815

    Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass Beta-Glucane über verschiedene Signalkaskaden weitere humorale und zelluläre Komponenten des spezifischen sowie unspezifischen Immunsystems stimulieren können, was die verbesserte Immunabwehr von Pathogenen mechanistisch erklärt (s. Abb. 2).757 So konnte in einem RCT gezeigt werden, dass die Einnahme von Beta-Glucanen zu einer Zunahme zirkulierender NK-Zellen führen sowie die Phagozytoseaktivität stabilisieren kann.816

    Beta-Glucane binden sich an bestimmte Rezeptoren (Pattern Recognition Receptors, PRR) auf Zellen des angeborenen Immunsystems im Darm. Dazu gehören z. B. der Dectin-1-Rezeptor auf residenten Makrophagen oder der CR3-Rezeptor auf NK-Zellen. Diese initiieren daraufhin immunologische Prozesse, z. B. die Produktion von Zytokinen (s. folgende Abb.).757 Zellen des angeborenen Immunsystems können Beta-Glucane auch systemisch verteilen, wobei der genaue Mechanismus noch nicht vollständig geklärt werden konnte.817

    Beta-Glucane werden von speziellen Rezeptoren (z. B. Dectin-1, CR3) auf der Oberfläche verschiedener Immunzellen erkannt.
    Abb. 2: Beta-Glucane werden von Rezeptoren (z. B. Dectin-1, CR3) erkannt, wodurch Vorgänge im Immunsystem aktiviert werden. [757]

Relevanz für die Praxis

  • Klassische Einsatzgebiete von Ballaststoffen und Präbiotika sind neben intestinalen Störungen wie Obstipation, Reizdarmsyndrom, Divertikulose und chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen zusätzlich Adipositas und das metabolische Syndrom
  • Bei der Fermentation von Präbiotika durch Mikroorganismen im Darm entstehen kurzkettige Fettsäuren, die mit positiven physiologischen Effekten assoziiert sind.

Um ihre positiven Wirkungen erzielen zu können, müssen die meisten Ballaststoffe bzw. Präbiotika mindestens im Grammbereich zugeführt werden.